Donnerstag, 29. Dezember 2011

Hier und Jetzt

Wenn man die Tageszeitung durchblättert, kann man viel über menschliches Leiden erfahren. Derzeit hält uns eine 10-jährige in Atem, die auf Rügen verschüttet wurde. Wir sind voller Mitgefühl für das Mädchen und die Mutter, die das Unglück überlebt hat und nun um ihre Tochter bangt. Ich möchte jedoch nicht über Unfälle und Katastrophen schreiben, sondern von dem Leiden, das sich still in uns allen abspielt. Dieses Leiden kommt auf, wenn wir nicht im Hier und Jetzt leben.

Es wird heutzutage viel über den Begriff „Hier und Jetzt“ geredet. Jeder möchte gern im Hier und Jetzt leben, doch kaum einer weiß, was das bedeutet. Wenn Du z.B. einen Baum betrachtest, dann spielt sich die Beobachtung im Hier und Jetzt ab. Doch bist Du noch in der Gegenwart, wenn Du plötzlich denkst: „o wie schön“? Nein, denn dann ist Deine Aufmerksamkeit nicht im Hier und Jetzt, sondern bei der Erinnerung an den Baum.

Wenn Du demzufolge etwas erlebst, das Dich ärgert und Du immer wieder über den Anlass nachdenkst, bist Du dann in der Gegenwart oder in der Vergangenheit? Sieh es ganz klar: während die Geschichte längst vorbei ist, ist der Ärger immer noch da. Denke also nicht über die Geschichte nach, sondern beobachte den Ärger ... dann bleibst Du in der Gegenwart.

Stell Dir vor, Du bist im Wald und lauscht den Geräuschen. Du nimmst das Rauschen der Bäume, das Plätschern eines Bachs, das Zwitschern der Vögel und das Knacken von Zweigen wahr. Jetzt bist Du in der Gegenwart. Doch was ist, wenn Du jetzt plötzlich an Deinen letzten Urlaub denkst? Bist Du dann noch in der Gegenwart oder in der Vergangeheit? Oder denke an einen Detektiv, der im Auto sitzt und ein Haus observiert. Es macht einen Unterschied, ob er einfach nur beobachtet oder über seine Frau nachdenkt, die ihn vielleicht gerade betrügt. Denn dann ist er bei seiner Frau und nicht im Hier und Jetzt.

Ein Denken im Hier und Jetzt macht daher nur Sinn, wenn es um Technik, Organisieren oder Planen geht.Wenn Du also einen Schrank aufbaust, ein Geschäftskonzept erstellst oder auch nur kochst, dann brauchst Du Deinen Kopf. Ein Nachdenken über Deinen psychologischen Zustand ist dagegen völlig nutzlos. Wenn Du z.B. schüchtern bist und darüber nachdenkst, dann bringt das nichts. Vielleicht entschließt Du Dich, ab sofort immer draufgängerisch zu sein, doch Deine Unsicherheit wird immer unter dem Teppich hervorlegen, unter den Du sie gekehrt hast.

Die kognitive Verhaltenstherapie z.B. glaubt, dass sich ihre Methode auf das Hier und Jetzt bezieht. Sie geht davon aus, dass das negative Selbstbild eines Patienten auf Denkfehlern beruht. Demzufolge sollen diese erkannt und durch neue Denk- und Verhaltensmuster ersetzt werden. Der Hilfesuchende muss also immer daran denken, richtig zu denken. Was hat das mit dem Hier und Jetzt zu tun?

Wer in der Gegenwart leben will, muss seine Aufmerksamkeit auf das richten, was Hier und Jetzt ist. Wenn es sich um negative Emotionen handelt, dann eben auf diese. Negative Emotionen entstehen aus Geschichten und diese wiederum sind nur Erinnerungen. Sei also bereit, jeden Gefühlszustand anzunehmen und mit ihm zu verschmelzen. Dann löst er sich völlig auf und Du bist und bleibst im Hier und Jetzt.

Freitag, 23. Dezember 2011

Schicksalsschläge

Im RTL-Jahresrückblick 2011 hatte Günther Jauch unter anderem Marcel Gleffe, den „deutschen Helden von Norwegen“ eingeladen. Dieser hatte am 22. Juli 2011 mit seinem Motorboot mindestens 22 Kinder vor dem Amokkiller Anders Behring Breivik gerettet. Während der Sendung traf Gleffe mit zwei Jugendlichen zusammen, die ihm ihr Leben zu verdanken hatten. Auf Nachfragen von Jauch berichteten die beiden, dass sie der erlebte Schock ständig verfolgt, obwohl sie sich in psychotherapeutischer Behandlung befinden. „So was lässt einen wahrscheinlich nie wieder los“ ist die Meinung der meisten Menschen.

Alle großen psychotherapeutischen Schulen haben eigene Ansätze zur Behandlung traumatischer Störungen entwickelt. Das Ziel dieser Verfahren ist es, zu einer geordneten Verarbeitung des Traumas zu kommen und dadurch die traumatypischen Symptome zu begrenzen oder aufzulösen. Alle diese therapeutischen Richtungen, seien es Psychoanalytische Verfahren, Psychodynamische Verfahren, Imaginative Verfahren, Verhaltenstherapeutische Verfahren, Gestalttherapie, Körperorientierte Therapieformen und viele andere, haben eines gemeinsam: sie sind zeitraubend und erfolglos.

Wenn traumatisierte Menschen nur wüssten, wie einfach sie ihre Traumata auflösen könnten. Dann bräuchten sie keine Therapeuten, die ihnen Zeit und Geld stehlen. Hierzu passt die These, dass wissenschaftlich nicht ausreichend belegt werden konnte, dass traumatisierte Menschen eine von anderen psychologischen Störungsbildern deutlich verschiedene Dynamik und Physiologie aufweisen. Mit anderen Worten, unterscheidet sich ein Trauma kaum von anderen psychologischen Störungsbildern. Doch auch bei den einfachen Störungen versagt die Psychotherapie weitgehend.

Alle psychotherapeutischen Schulen machen den Fehler, dass sie nicht direkt am Emotionalkörper arbeiten. Stattdessen legen sie Wert darauf, das Erlebte mental zu verarbeiten. Die aktive Psychotherapie z.B. will gemeinsam mit dem Patienten Lösungsvorschläge erarbeiten, die in konkrete Handlungen umgesetzt werden. Dabei werden Fragen wie z.B. „Wie soll es jetzt weitergehen? Was ist mein Ziel? gestellt. Die Hilflosigkeit der Psychotherapie ist nicht zu überbieten! Solche Fragen räumen die Möglichkeit ein, dass das Trauma niemals wirklich aufgelöst wird.

Warum werden psychologische Störungen und Traumata nicht im Emotionalbereich bearbeitet? Wer psychischen Schmerz beobachtet, durchfühlt und mit ihm verschmilzt, ist sein Problem bald wieder los. Und jedes Mal, wenn die Gedanken um das Erlebte kreisen und den Schmerz aufs Neue füttern, kann diese Technik wiederholt werden. Psychotherapeuten werden daher genauso wenig gebraucht, wie die Beichtväter in der katholischen Kirche. Als Buddha sagte: "Sei Dir selbst ein Licht" meinte er genau das.

Dienstag, 13. Dezember 2011

Christa Wolf

Am 1.12.2011 veröffentlichte der Spiegel diverse Nachrufe zum Tod von Christa Wolf. Bundespräsident Christian Wulff z.B. sagte: „… ihre Literatur hat die Menschen in unserem Land bewegt, begeistert und zum Nachdenken bewegt.“ Haben Schriftsteller nicht zu allen Zeiten versucht, die Menschen zum Nachdenken zu bewegen? Hat das Denken irgendetwas bewirkt oder ist alles so geblieben, wie es immer war?

Wenn wir uns fragen, warum nicht einmal Moses oder Buddha, Jesus oder Mohammed, irgendein Glaube, eine Lehre, ein Dogma oder eine bestimmte Weltanschauung vermocht haben, die Menschen zum friedlichen Miteinander zu bewegen, dann steht fest, dass das Nachdenken keine Chance hat, unser Leben zum Positiven zu wenden.

Lt. Wikipedia ist Denken eine geistige Beschäftigung mit Vorstellungen, Erinnerungen und Begriffen. Damit ist klar, dass sich alle Denkinhalte auf die Vergangenheit beziehen. Und somit versuchen wir das schier Unmögliche: nämlich unsere Probleme mit denselben Analysen zu lösen, die schon in der Vergangenheit versagt haben. Du kannst das besser verstehen, wenn Du Dir einen Sonnenuntergang veranschaulichst. Vermögen wir diesen jemals vollständig zu betrachten oder erleben wir ihn nur halb, weil wir mitten im Schauspiel denken: "o wie schön"? Mit anderen Worten erfassen wir nicht das Ganze, sondern bereits, ehe wir die Sache vollständig beobachtet haben.

Das Dilemma wird noch klarer, wenn man sich dieses Zitat vor Augen hält: „Mit Denken kann man alles erklären, auch das Gegenteil“. Somit zeigt sich, dass das Denken die Menschen voneinander spaltet. Je nach Bildung, Glauben, Herkunft, Parteizugehörigkeit, Vorlieben, unterschiedlichen Gemütszuständen usw. ergeben sich völlig verschiedene Standpunkte. Obwohl das Gegenteil ebenso wahr ist, versteift sich das Denken immer auf seine eigene Position. Daher bekämpfen wir uns gegenseitig auf allen Ebenen unseres Lebens. Sowohl in persönlichen Beziehungen, als auch in ethnischen Gruppierungen, Gemeinschaften und Staaten.

Ist Dir klar, warum alle guten Vorsätze immer versagen? Wer etwas verändern will, muss lernen, dass er das, was er verändern will, vollständig annehmen muss. Wenn Du z.B. ungeduldig bist, dann hilft Dein Wille nicht weiter, geduldig zu werden. Du musst Deine Ungeduld vollständig annehmen und fühlen. Dann verschmilzt das Beobachtete im Beobachter. Somit ist die vollständige Beobachtung eine Handlung von wahrer Intelligenz. Und diese Intelligenz bewirkt, dass alle notwendigen Veränderungen von selbst geschehen.