Freitag, 23. März 2012

Toulouse

Am 22.03.2012 wurde Mohamed M. von französischen Elite-Polizisten erschossen. Der sog. „Killer von Toulouse“ hatte die Welt zwölf Tage lang in Atem gehalten. Lt. Medien hatte er sich dazu bekannt, sieben Menschen, darunter drei Kinder, getötet zu haben.

Am 22.03.2012 schrieb Bild.de:

„Wie viel Hass kann ein Mensch in sich tragen? Wie skrupellos kann ein Mann sein? Wohl um sich an seinen Taten zu berauschen und Propaganda im Internet zu betreiben, filmte Mohamed Merah seine Morde. Kurz vor tödlichen Kopfschuss, erklärte Merah seinem ersten Opfer, einem französischen Soldaten: "Du tötest meine Brüder, und ich töte Dich!“

Nach ersten Erkenntnissen soll sich der Attentäter durch den Kontakt mit dem salafistischen Islam radikalisiert haben. Die Bundeszentrale für Politische Bildung (bpb) klärt auf:

„Salafisten sind Anhänger unterschiedlicher religiöser und politischer Bewegungen, die sich zu Beginn des letzten Jahrhunderts gründeten und am idealisierten Bild des Frühislam orientieren. Der Salafismus predigt die strenge und wörtliche Befolgung der in den islamischen Quellen niedergelegten Gebote. Die nicht-islamische Gesellschaft wird als feindlich, unmoralisch und dekadent verteufelt. Damit sind Anknüpfungspunkte zum Dschihadimus, dem gewaltsamen Kampf für eine islamische Gesellschaft, geboten."

Mohamed M. hat seine Ziele verwirklicht, Menschen aus idealistischem Hass zu töten. Doch ich kann mir nicht vorstellen, dass er glücklich war, als er im Kugelhagel der französischen Polizisten starb. Was war sein Motiv? Wer sich radikalen Bewegungen anschließt, ist in Wirklichkeit auf der Suche nach Gemeinschaft und Freundschaft ... und Sinn und Halt im Leben. Die wahre Geborgenheit ist jedoch nicht im Außen zu finden, sondern im Inneren, im Raum des Herzens. Dort sind wir eins mit uns selbst. Vorstellungen von einer besseren Welt existieren hier überhaupt nicht. Wer diesen Raum kennt, der weiß, dass die Welt, so wie sie ist, vollkommen in Ordnung ist. Würden wir uns alle dieses Raumes bewusst sein, hätten wir die sozialen Verhältnisse, die wir uns alle wünschen.

Um dem Raum des Herzens nahe zu sein, müssen wir lernen, Verantwortung für unseren emotionalen Zustand zu übernehmen. Das bedeutet, dass wir aller Emotionen bewusst sein müssen, die sich in uns ausbreiten wollen. Wenn Mohamed Merah bereit gewesen wäre, seinen Hass anzunehmen und mit ihm zu verschmelzen, dann hätte er überhaupt keinen Grund gehabt, irgendjemanden zu töten. Dann wäre er ein stiller friedlicher Mann gewesen und niemand hätte jemals Notiz von ihm genommen.

Dienstag, 20. März 2012

München 72 – Das Attentat

Am 19.03.2012 lief im Zweiten Deutschen Fernsehen der historische Film „München 72 – Das Attentat“. Der vom israelischen Regisseur Dror Z. spannend inszenierte Film beschreibt den Überfall auf die israelische Olympiamannschaft während der Olympischen Spiele 1972 in München. Hier eine Zusammenfassung der Ereignisse, die man im Internet überall nachlesen kann:

„Am frühen Morgen des 5. September 1972 stürmten palästinensische Terroristen der Gruppe „Schwarzer September“ das olympische Quartier des israelischen Teams. Zwei Sportler wurden sofort erschossen, neun als Geiseln genommen. Die Forderung der Terroristen: die Freilassung von über 200 in Israel gefangenen Palästinensern. Innenminister Hans-Dietrich Genscher bot sich als Austauschgeisel an, was jedoch abgelehnt wurde. Nach stundenlangen Verhandlungen flogen die Terroristen und die Geiseln am Abend per Helikopter zum Flugplatz Fürstenfeldbruck, von dort aus sollte es in einer bereitgestellten Boeing nach Kairo gehen.

Der Krisenstab versagte spektakulär: So gab es nur fünf Scharfschützen für acht Geiselnehmer, angeforderte Panzerwagen blieben im Stau stecken, als Bordpersonal getarnte Polizisten verließen in letzter Sekunde aus Angst die Boeing. Es kam zur Schießerei, alle Geiseln wurden getötet. Fünf Terroristen wurden erschossen, die drei Überlebenden kurze Zeit später während der Entführung der Lufthansa-Maschine „Kiel“ aus dem Gefängnis freigepresst.“

Eine der Geiseln, die auf dem Flugplatz von Fürstenfeldbruck getötet wurden, war der Trainer der israelischen Fechtmannschaft André S.. Er hinterließ eine Frau und ein kleines Baby. Die Witwe hat angeblich wieder geheiratet, drei weitere Kinder bekommen und sich dann scheiden lassen. Die heute 66-jährige sagte in einem Interview: „Dass A. seine Tochter nicht aufwachsen sehen konnte – das ist ein lebenslanger Schmerz.“

Ist es nicht merkwürdig, wie lange wir Schmerzen festhalten? Meine Eltern haben sich als Holocaustüberlebende im Jahr 1945 am Bahnhof von Lodz/Polen kennengelernt. Bald wurde meine Mutter schwanger und brachte mich am 27. April 1946 in Deutschland zur Welt. Doch meine Eltern vertrugen sich nicht. Beide waren von den Ereignissen in den Konzentrationslagern traumatisiert und fanden keinen Frieden miteinander.

Meine Mutter redete viel von Palästina, dem Land, wo sie keine Angst vor den Deutschen haben musste. Als ich sechs Jahre alt war, stand die 23-jährige mit ihrem kleinen Koffer traurig vor mir, drückte mich schluchzend an sich und machte sich auf den Weg ins Gelobte Land. Der Schock fuhr mir in Leib und Seele und ließ mich 60 Jahre nicht mehr los.

Nichtsdestotrotz bin ich meinem Schicksal dankbar ... es ließ mich zum Sucher werden. Materielles Glück war nie mein Ding, ich suchte unermüdlich das absolute Glücklichsein. Im Jahr 1979 wurde ich Schüler von Osho und begann, täglich eine Stunde zu meditieren. 30 Jahre später am 5.9.2009 erlebte ich ein plötzliches spirituelles Erwachen ... seither hat sich alles verändert, obwohl sich nichts verändert hat. In den folgenden Wochen wurde mir klar, dass das Leiden daher kommt, weil man sich zeit seines Lebens an negative Gefühle klammert.

Der beste Weg, sich von seinen inneren Leiden zu befreien, liegt darin, jede negative Emotion anzunehmen. Denn dadurch wird eine Distanz erzeugt, die eine Identifikation mit ihr verhindert. So besehen fände der Schmerz der Ankie Spitzer ein jähes Ende. Ich wünschte, sie würde ihren Schmerz annehmen und fühlen, bis sie mit ihnen verschmilz. Dann wäre ihr lebenslanger Schmerz in einem Moment beendet.

Mittwoch, 7. März 2012

Fühlen

Wissenschaftler haben untersucht, warum wir die Musik so lieben. Sie vermuten, dass es an der Ähnlichkeit der Instrumentenklänge mit der menschlichen Sprache liegt. Ich glaube jedoch, dass uns die Musik deshalb verzaubert, weil wir durch sie unsere Emotionen so herrlich fühlen können.

Was wären die großen Filme ohne die Musik? Sie erhebt uns in höchste Höhen und stürzt uns in tiefste Täler. Emotionen packen uns ... Angst, Verzweiflung, Wut und Enttäuschung. Wir fühlen mit, was uns die Bilder zeigen.

Auf welche Weise lauschst Du einem schönen Musikstück, wie z.B. der „Meditation“ von Jules Massenet? Bleibst Du beim Fühlen oder schweifst Du gedanklich ab? Fühlen heißt, den emotionalen Prozess zu beobachten. In dem Moment, wo Du anfängst nachzudenken, fühlst Du nicht mehr.

Wenn Du Dich z.B. ärgerst, sei es zu Recht oder zu Unrecht, dann fühle diese Emotion in ihrem ganzen Ausmaß. Denke nicht über den Anlass nach. Was passiert ist, ist vorbei. Es ist nicht mehr zu ändern. Bleibe beim Gefühl des Ärgers und er kann sich auflösen. Handelt es sich um ein kleines Ärgernis, dann verfliegt das Gefühl schnell. Wenn Du Dich kräftig geärgert hast, dann wird der Ärger in Deinem Bauchraum verbrennen. Du kannst das Feuer deutlich spüren.

Immer wieder schauen mich Menschen erstaunt an, wenn ich über das Fühlen spreche. Sie sind davon überzeugt, dass sie fühlen können. Doch sie verwechseln fühlen mit Empfinden. Sobald sie sich über etwas ärgern, ist das noch eine Empfindung. Doch wird der Ärger auf die rationale Ebene verlegt -und das tun wir alle- wird er gar nicht mehr gefühlt.

Unsere Lebensenergie bewegt sich nicht auf statischem Weg vorwärts, sondern von Pol zu Gegenpol hin und her schwingend. Somit wird klar, dass wir innerlich gestört sind, wenn wir den Schwung zu negativen Emotionen nicht zulassen.

Mache ein kleines Experiment: Mach Deine Augen zu und denke an ein schönes Erlebnis. Gib Dich den positiven Gefühlen hin und koste sie aus. Wahrscheinlich fällt es Dir leicht, sie zu fühlen. Und nun schwenke zum Gegenteil um. Denke an ein Erlebnis, wo Du Dich schlecht gefühlt hast. Gebe Dich ganz diesem Gefühl hin. Merkst Du, dass Du das Erlebte sofort gedanklich bearbeiten willst? Genau das verhindert den Prozess des Fühlens.

Die Ursache liegt darin, dass unser Gehirn aus drei Teilen besteht: das Reptilienhirn, das emotionale Hirn und das denkende Hirn. Im Internet habe ich eine kleine Geschichte gelesen, die die unterschiedlichen Funktionen gut veranschaulicht. Stell Dir vor, Du fährst Auto und plötzlich bremst direkt vor Dir ein Lastkraftwagen scharf ab. In Deinem Kopf passiert das Folgende:

1. Dein Reptilienhirn lässt Dich das Lenkrad herumreißen und auf die Bremse treten.

2. Dein emotionales Gehirn schüttet Angst- und Panikhormone wie z.B. Adrenalin aus, um Deine
    Reaktionsgeschwindigkeit zu erhöhen.

3. Dein denkendes Gehirn ist zeitgeschichtlich das jüngste der drei Hirne. Es beginnt, die Situation zu
    analysieren, sobald die Gefahr überstanden ist.


Keines unserer Hirne ist dafür gedacht, Emotionen zu verarbeiten. Solange es um positive Gefühle geht, haben wir keine Probleme. Doch das Fühlen negativer Gefühle müssen wir üben, üben, üben. Diese Übung ist ein Bewusstseinsprozess. Sie hilft uns, unbewusste Verhaltens- und Reaktionsmuster zu vermeiden.

Das Fühlen ist eine Meditationstechnik, die aus dem Vigyana Bhairava Tantra stammt. Diese uralte Schrift besagt, dass Du die Situation, die Deinen Ärger hervorgebracht hat, nicht verändern sollst. Denn wenn Du das tust, dann versuchst Du, Deinen Ärger zu kontrollieren. Denke also nicht über den Ärger nach, sondern gib Dich dem Ärgergefühl hin, bis Du schließlich mit ihm verschmilzt. Diese Technik ist ganz einfach ... und doch ist sie schwierig, weil wir über unsere Emotionen aus Gewohnheit nachdenken. Doch Übung macht den Meister.

Hier ein Tipp: Es ist hilfreich, wenn Du eine kleine Übungsgruppe kreierst. Finde heraus, wer in Deinem Freundes- und Bekanntenkreis Interesse hat, sich von seinen negativen Emotionen zu befreien. Gemeinsam lassen sich die besten Fortschritte machen. Trefft Euch regelmäßig und sprecht über Euere Erfahrungen.

Montag, 5. März 2012

Identifikation

Derzeit finden im bayerischen Wintersportort Ruhpolding die Biathlon-Weltmeisterschaften statt. Während des 10km Verfolgungsrennens der Damen zitierte der TV-Reporter die Biathletin Andrea Henkel, die zwei Tage zuvor im 7,5 km Sprintrennen nur Platz 34 erreicht hatte. Sie sagte: „Bei uns gilt die Zwei-Stunden-Regel: Zwei Stunden ärgern nach einer schlechten Leistung - und dann ist gut.“

Die modernen Trainer wissen, dass man sich schwächt, wenn man sich ärgert. Also leiten sie ihre Schützlinge an, über Schießfehler nicht lange nachzudenken: Abhaken und weitermachen ist die Devise. Die Zwei-Stunden-Regel scheint also hilfreich zu sein … doch sie hat eine entscheidende Schwäche … sie ist um zwei Stunden zu lang.

Beobachte einmal ganz genau, was passiert, wenn Du Dich ärgerst. Dann fängst Du nämlich an, zum Ärger zu werden. Mit anderen Worten, nimmt der Ärger Dein ganzes Wesen ein. Genau DAS ist die Identifikation.

Wenn Du bereit bist, Dich auf rechte Art mit dem Ärger-Gefühl auseinanderzusetzen, dann fällt die Identifikation flach. Die rechte Art der Auseinandersetzung besteht darin, den Ärger anzunehmen, ihn zu fühlen und schließlich mit ihm zu verschmelzen. Wer diese Technik übt, schafft das in kurzer Zeit. Insofern könnte die Zwei-Stunden-Regel in Zwei-Minuten-Regel umbenannt werden.

Kinder werden immer gefragt, was sie einmal werden wollen. Werden sie als Erwachsene gefragt, was sie geworden sind, dann antworten sie: „Ich bin Elektriker … Sportler … Arzt … Taxifahrer.“ Ist das wirklich wahr, sind sie wirklich zum Beruf geworden? Und bist Du wirklich das, was Du fühlst? Bist Du wirklich verärgert, wenn Du Dich ärgerst? Ist der Ärger Deine Realität? Oder ist er nur ein Objekt in Deiner Wahrnehmung? Betrachte Deinen Zustand während einer x-beliebigen Emotion und finde es heraus!

Jeder Glaube, etwas zu sein, ist eine Identifikation. In Wirklichkeit bist Du das Bewusstsein, das sich Deines Körpers und Deiner Persönlichkeit bewusst ist. Du kannst Dir sicher sein, dass Du Leiden erzeugst, wenn Du Dich mit was auch immer identifizierst. Dann reduzierst Du Dich nämlich auf etwas, das analysiert werden kann. Und dann wirst Du ewig im Gefängnis Deines Kopfes leben müssen.

Samstag, 3. März 2012

Anerkennung

Am 2. Februar 2012 befragte Frank Plasberg seine Gäste in seiner TV-Sendung „plasberg persönlich“, wie sie damit umgehen, wenn das Leben nicht glatt verläuft und Schicksalsschläge und Irrtümer den Weg versperren.

Eine der Gäste, die Schauspielerin M. Sch., die vor 12 Jahren als Pornodarstellerin Gina Wild bekannt wurde, versicherte, Frieden mit ihrer Vergangenheit gemacht zu haben. Sie schränkte aber ein, dass sie sich maßlos darüber ärgere, von „irgendwelchen Provinzjournalisten“ immer noch auf ihre früheren Rollen reduziert zu werden. Da wurde mir klar, dass Frau Sch. nicht wirklich Frieden mit ihrer Vergangenheit geschlossen hat.

Das psychologische Online-Lexikon „Lebenshilfe-abc“ beschreibt Anerkennung so: „Der Wunsch nach Anerkennung ist normal und verständlich. Wir wollen, dass andere sehen und schätzen, was wir tun. Wir wollen für wichtig genommen und respektiert werden. Problematisch wird es, wenn man mit sehr viel Kritik und Ablehnung aufgewachsen ist. Denn dann fühlt man sich minderwertig und glaubt, ohne die Anerkennung der anderen nicht leben zu können.“

Da wir die Zeit nicht zurückdrehen können, ist es auch nicht mehr möglich, die Anerkennung unserer Eltern zu bekommen. Wer mit Kritik und Ablehnung aufgewachsen ist, kann seine Wut auf seine Eltern natürlich auch an einem Kissen auslassen. Aber die erwünschte Anerkennung wird er dadurch auch nicht bekommen. Wer daher wie M. Sch. im besonderen Maß von Anerkennung abhängig ist, dem bleibt nichts anderes übrig, als seinen Ärgers über die Missachtung anzunehmen. Wer es schafft, diesen Ärger geduldig zu fühlen, bis er mit ihm verschmilzt, der hat auch die Geduld zu warten, bis er die Anerkennung bekommt, die er verdient.