Dienstag, 24. April 2012

Der elfte Tag – die Überlebenden von München 1972

Der TV-Sender „The Biography Channel“ hat anlässlich des 40. Jahrestags der Anschläge auf die israelische Olympiamannschaft in München 1972 eine Dokumentation mit dem Titel „Der elfte Tag – die Überlebenden von München 1972“ produziert. Zu diesem Zweck holte der Fernsehsender sieben der insgesamt zehn Überlebenden für Dreharbeiten nach München. Sendetermin ist der 7. Juli 2012.

Am 22. April 2012 berichtete „Bild am Sonntag“ über die Dokumentation und stellte sechs der überlebenden Sportler vor. Hier der Bericht über Zelig Shtorch:

„ZELIG S, 71, Sportschütze. Seine Familie väterlicherseits wurde während des Holocaust ermordet. Er nahm auch nach München an Wettkämpfen teil, wurde 1978 bei den Olympischen Spielen in Seoul mit seiner Mannschaft Achter.“

S. erzählt: „Ich hatte meine Kleinkaliberwaffe mit in die Mannschaftsunterkunft genommen, um sie zu reinigen. Mit dieser Waffe stand ich hinter einem Vorhang und beobachtete einen der Terroristen. Ich überlegte, ihn anzugreifen. Aber ich wusste nicht, wie viele Terroristen es sind und was sie vorhaben. Ich hatte Angst, dass die Situation eskaliert, wenn ich schieße. Seit 40 Jahren lebe ich mit dem Schuldgefühl, mich möglicherweise falsch entschieden zu haben. Vielleicht hätten mehr überlebt, wenn ich den Terroristen angegriffen hätte.“

Schuldgefühle entstehen, wenn wir Angst haben, etwas falsch gemacht zu haben. Hat Zelig S. im Jahre 1972 also einen Fehler gemacht? Um diese Frage zumindest theoretisch zu erörtern, müsste man sich überlegen, was denn geschehen wäre, wenn er den Terroristen angegriffen hätte? Wenn man alle Möglichkeiten in Betracht zieht, kommt man immer wieder zum Ergebnis, dass sich ein Massaker wahrscheinlich nicht hätte vermeiden lassen. Dann hätte S. mit dem Schuldgefühl leben müssen, voreilig gehandelt zu haben.

Die kognitive Verhaltenstherapie würde das Problem folgendermaßen beurteilen: Der Sportler hat Schuldgefühle, weil er sein Verhalten falsch bewertet. Um sein Schuldgefühl aufzulösen, muss er seine Schlussfolgerung ändern, indem er sie gegen eine neue Beurteilung ersetzt. Anschließend muss er die neue Bewertung so lange einüben, bis sie anstelle des alten Denkmusters getreten ist.


Was in der Theorie so logisch klingt, hat in der Praxis wenig Erfolg. Denkmuster lassen sich nicht so ohne Weiteres austauschen. Sie wurzeln in unserer Erziehung, wo wir bereits gelernt haben, was wir für richtig und falsch halten. Diese Überzeugungen haben im Laufe der Jahre feste Nervenbahnen in unserem Gehirn erschaffen.

Es gibt eine intelligente Möglichkeit, das Problem zu meistern. Ich würde Betroffenen, wie Herrn Zelig S. raten, ihren Fokus auf ihre Schuldgefühle zu richten. Sie müssen sich ihnen zuwenden, als würden sie klassischer Musik lauschen. Das bedeutet, dass sie ihre Schuldgefühle fühlen müssen. Und zwar so lange, bis sie mit ihnen verschmelzen. Das ist reine Alchemie!

Sonntag, 22. April 2012

Oslo


Am 16. April 2012 begann vor dem Amtsgericht in Oslo der Prozess gegen Anders Behring B., der am 22. Juli 2011 insgesamt 77 Menschen getötet hatte. Als Motiv gab der 32-Jährige an, dass er die „regierenden Sozialdemokraten so hart wie möglich habe treffen wollen, da sie zum Massenimport von Moslems stark beigetragen hätten.“

Lt. Spiegel.de erklärte B. am 5. Prozesstag, dass er die Attentate nur deswegen durchstehen konnte, weil er sich emotional total abgekapselt hatte. Er machte dem Gericht klar: „Man muss gefühlsmäßig abgestumpft sein, das muss man trainieren.“ Bis 2006 sei er ein normaler Mensch gewesen. Danach habe er sich über mehrere Jahre „entmenschlicht“ und alle Emotionen abgelegt. Befragt nach seinem fehlenden Mitgefühl antwortete B. einer Guardian-Journalistin: „Ich glaube, ich würde einen Nervenzusammenbruch erleiden, wenn ich meine mentalen Schutzschilde entferne.“

Sind wir nicht alle Spezialisten darin, unsere negativen Emotionen zu verdrängen? Wir mögen zwar niemanden töten, sorgen aber dafür, dass unsere gesundheitlichen Zustände immer schlechter werden. Die stetig zunehmenden Depressionen, Nervenzusammenbrüche, Herzinfarkte und Krebserkrankungen sprechen eine klare Sprache. Erst unsere Gleichgültigkeit macht die Massentierhaltung, den Bau von Atomkraftwerken, die Abholzung der Regenwälder, die täglich 30.000 Verhungernden, die Verschuldung künftiger Generationen und die vielen Kriege möglich. Wir alle verherrlichen den Egoismus, jeder auf seine Art.

Der Mensch kann erst Mensch werden, wenn er sein Herz zum Herrn über den Verstand erhebt. Dann heilt er seine Neurose. An dieser ist er erkrankt, weil er sein Leben mit dem Kopf meistern will. Das funktioniert nicht. Du kannst Dein Leben nur fühlend meistern. Fühlen heißt, dass Du Dir Deiner Emotionen bewusst bist und sie geduldig fühlst, bis Du mit ihnen verschmilzt.

Montag, 9. April 2012

Günter Grass

Nachdem Günter Grass sein Gedicht „Was gesagt werden muss“ am 4.04.12 veröffentlicht hatte, hagelte es Kritik von allen Seiten. In dem Gedicht hatte er Israel vorgeworfen, den ohnehin brüchigen Weltfrieden mit seiner Iran-Politik zu gefährden. Das brachte ihm den Vorwurf des Antisemitismus ein.


Am 6.04.12 beklagte sich Günter Grass in Spiegel-Online: „Ich war immer gewohnt, dass meine Werke, große und kleine, auf heftige Kritik stoßen. Doch nun bin ich enttäuscht darüber, dass der kränkende und pauschale Vorwurf des Antisemitismus gegen mich erhoben wurde.“ Damit fühlt sich Grass, der die Welt mit seinem Gedicht warnen wollte, völlig missverstanden.

Am 6.04.12 erklärte der Literaturnobelpreisträger der Süddeutschen Zeitung, dass er dieses Werk jetzt anders fassen würde: „Ich hätte in meiner Kritik deutlicher zum Ausdruck bringen sollen, dass ich nicht Israel, sondern die Politik der derzeitigen Regierung Israels habe treffen wollen.“ Damit hätte sich der Schriftsteller vielleicht den Vorwurf des Antisemitismus erspart. Der Punkt an der Sache ist aber, dass der Weltfrieden aus ganz anderen Gründen gefährdet ist.

Alle Probleme und auch die im Nahost existieren aufgrund uralter Denkstrukturen. Denke einmal über die Aussage des Albert Einstein nach, der irgendwo sagte: "We cannot solve our problems with the same thinking we used when we created them."

Albert Einstein hatte völlig recht: Wir können unsere Probleme nicht mit dem gleichen Denken lösen, welches sie kreiert hat. Wir müssen lernen, völlig neu zu denken. Wie könnte das bewerkstelligt werden? Meiner Meinung nach muss der Mensch beginnen, mit dem Herzen zu denken.

Das Denken mit dem Herzen hat mit dem herkömmlichen Denken nichts zu tun. Wenn Du z.B. ein Problem hast, dann besteht das alte Denken darin, die Lösung mit dem Kopf zu finden. Wenn Du jedoch mit dem Herzen denkst, dann musst Du das Problem mit großer Aufmerksamkeit betrachten ... ohne darüber nachzudenken. Praktisch bedeutet das, dass Du die Sache nun mit dem Herzen betrachtest. Und wenn Du das tust, dann könntest Du plötzlich auf Lösungen kommen, die der Kopf niemals vorschlagen würde. Du könntest Dir z.B. Deines Mitgefühls bewusst werden, das in Deinem Herzen wohnt.

Beim Auftreten von Mitgefühl verschwindet die alte Ich-Bezogenheit. Jetzt zählt nicht mehr der eigene Vorteil, sondern Du empfindest Mitgefühl mit der Problematik des Anderen. Es ist wie mit der Sonne … wenn sie aufgeht, dann verschwindet die Dunkelheit. Das Herz gibt immer. Das ist wahres Verständnis. Und genau das braucht die ganze Welt.